www.Morr-Siedelsbrunn.de
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Zum Gedenken an Hans Morr

Ehemaliger Sprengplatz Gönz

Ab dem Herbst 1944 begann, nach der Alliierten Invasion in der Normandie, der massive Zusammenbruch der deutschen Kriegslogistig. Durch permanente Bombenangriffe der Alliierten wurden die Schienennetze der Rechsbahn zunehmend unbrauchbar. In der Luft nahm die feindliche Überlegenheit durch Jagdbomber täglich zu, so dass der Warentransport auch auf der Straße bei Tageslicht fast nicht mehr möglich war. Durch das Abschneiden von Rohöllieferungen und Zerstörung der Hydrieranlagen mittels Bombardements stand immer weniger Treibstoff für den Betrieb von Motorfahrzeugen zur Verfügung.

 

Dennoch gelang es dem damaligen Rüstungsminister Albert Speer die Produktion von Waffen und Munition unter höchsten Anstrengungen gegenüber den Vorjahren nochmals zu steigern. Bedingt durch die oben genannten Zerstörungen der Verkehrs-Infrastruktur und der immer unübersichtlichen Kriegslage kamen Munition und Waffen oft nicht mehr an die Kampforte, an denen sie dringend benötigt wurden.

So ist es nicht verwunderlich, dass nach der deutschen Kapitulation, am 8. Mai 1945, große Mengen an Munition an Stellen lagerten, an denen sie eigentlich nicht hätten sein dürfen. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die im Eisenbahntunnel zwischen Kreidach und Wald-Michelbach lagernde, großkalibrige Artilleriemunition für Schiffsgeschütze.

 

Als Munitionslager schieden zum Kriegsende hin sämtliche besiedelte Bereiche bzw. deren näheres Umfeld aus. Zu groß war die Gefahr, dass es dort durch Feindeinwirkung oder Unfall zu katastrophalen Explosionen kommen könnte. So fiel die Entscheidung, klein- bis mittelkalibrige Artilleriemunition im durchgängigen Waldgebiet entlang der heutigen Landesstraße L3349 zwischen Eulbach und Vielbrunn auf der Odenwaldhöhe zu lagern. Gebäude waren dort nicht vorhanden. Man errichtete dort wenige Meter neben der Straße rechteckige Planflächen mit etwa 5 bis 10 Meter Seitenlänge direkt auf dem Waldboden. Die abgenommene Erde wurde an drei Seiten der Fläche wallförmig aufgeschüttet. Die zur Straße hin liegende Seite blieb wegen der Beschickung offen. Aus Sicherheitsgründen wurden die Lagerplätze immer mit einem größeren Abstand zueinender errichtet, damit bei einer Explosion nur das betroffenen Lagerareal in die Luft flog.

Auf den vorbereiteten Flächen wurde die Munition gestapelt. Die fertig aufgesetzten Stapel deckte man mit wasserdichten Planen ab. Diese dienten auch der Tarnung gegen Luftaufklärung. In wie weit sich zwischen dem Erdboden und der unterster Munitionslage Paletten, Holzroste o.ä. befanden ist nicht geklärt. Ebenso ist offen, wie die Munition von Erbach bzw. Michelstadt auf die Höhe transportiert wurde. Ob hierfür LKW eingesetzt wurden oder Pferdefuhrwerke ist nicht bekannt. Sicherlich kam die Munition aber mit der Odenwaldbahn zum Ausladeort Bhf Erbach oder Michelstadt.

 

An manchen Stellen, nur wenige Meter abseits der Straße, kann man heute noch im Wald die  überwachsenen Munitionslagerplätze an ihren Erdwällen erkennen.

 

Zeitgenössiche Handskizze des Sprengplatzes mit Sprenglöchern

Nach Kriegsende lag jedenfalls eine große Menge Munition an oben genanntem Ort. Es ist die Rede von zentausend(en) Tonnen, was aber deutlich zu viel sein dürfte. Genaues ist nicht bekannt.

Die Munition mußte jedenfalls unschädlich gemacht werden, was natürlich auch die Amerikaner befahlen, welche dieses Gebiet eroberten und besetzt hatten. Als einfachste und kostengünstigste Art der Munitionsvernichtung kam damals nur das Sprengen in Frage. Und dies konnte nur an einem weiträumig unbebauten, unbewohnten Ort in unmittelbarer Nähe der Lagerstätten erfolgen. Idealerweise in einem engen Talkessel, damit die bei der Explosion abgeschleuderten Metallsplitter sich auf einen möglichst kleinen Radius beschränken und die Detonationsgeräuse gedämpft würden.

Den Ort fand man schnell im Gönzer Tal, nur 500 Meter östlich der Landstraße L3349, an der die Munition lagerte. Die nächste Bebauung, der Sansenhof befand sich 1,3 km Luftlinie, das Forsthaus Eulbach 1,7 km Luftlinie, entfernt. Alle anderen Siedlungsstätten waren mehr als 2 km entfernt. Ein weiterer Aspekt für den Sprengplatz war dessen Tallage. Der Ort trug die offizielle Bezeichnung "Entsorgungsbetrieb Erbach / Odenwald". Die Fläche des ehemaligen Sprengplatzes entlang des Talgrundes hatte ihre größte Flächenausdehnung bei Einstellung der Sprengarbeiten im Jahr 1950 mit etwa 35 Hektar erreicht.

Rechts unterhalb des Weges verfüllte Sprengtrichter

Die zünderlose Munition wurde von ihrem Lagerplatz ins Gönzer Tal verbracht und dort wenige Meter neben dem Feldweg angehäuft. Die Mannschaft bereitete dann die Sprengung vor und zog sich in einen kleinen Schutzbunker am Rand des Sprengfeldes zurück. Von dort aus wurde eine Initialladung elektrisch gezündet, welche wiederum die angesammelte Munition zur Explosion brachte. Die größeren, frei umherliegenden Metallsplitter der Granatgehäuse wurden später eingesammelt und als Schrott eingeschmolzen. Mit der Zeit fand man überwiegend bei Aufbauarbeiten in den umliegenden Städten und Dörfern weitere Munition und Blindgänger, welche man an den Sprengplatz verbrachte dort unschädlich machte.

 

Mit zunehmender Anzahl der Sprengungen am selben Ort wurden die Sprenglöcher immer größer und tiefer. Hatten Sie eine größere Tiefe erreicht, wurde ein neuer Sprenghaufen unmittelbar nebenan talabwärts errichtet.

Denn ab einem gewissen Verhältnis von Sprengtrichter-Durchmesser und Trichtertiefe war es den Arbeitern nicht mehr möglich, die Munition gefahrlos in den Trichter einzubringen. Krananlagen oder ähnliche Hilfsmittel standen ihnen nicht zur Verfügung. Und einfach die Granaten dort hineinwerfen ging nicht, da durch deren Erschütterung, Vermischung unterschiedlicher Sprengstoffe, Funkenbildung beim Aufeinandertreffen etc. Explosionsgefahr bestand.

Mittels dieses Schemas entstanden so immer mehr Sprenglöcher in einer Linie neben dem Waldweg in Richtung Gönz Ort. Wie aus obiger Skizze ersichtlich waren es dann letztlich um die 30 Sprengtrichter. 

Betonrest des Schutzbunkers

Nachdem sämtliche Munition auch aus der Region vernichtet war kehrte wieder Ruhe im Gönzer Tal ein. Die vernarbte Landschaft blieb bis zur Renaturierung wie sie war. Im Jahr 2015 wurden dann die Sprengtrichter verfüllt und das Gelände renaturiert. Heute erinnert nichts mehr daran, dass hier überaus große Mengen von Munition in den Jahren nach dem letzten Krieg gesprengt wurden.

In der Bildmitte befanden sich die Sprengtrichter. Blick Talaufwärts in Richtung Sansenhofer Mahd
Die Kontur des ansonst aufgefüllten Sprengtrichters ist am Hang unterhalb des Weges noch zu erkennen

Bei den Sprengungen war es unvermeidlich, dass auch Munition aus dem Sprengtrichter geschleudert wurde, welche nicht explodierte. Wenn diese dann im angrenzenden Wald wieder zu Boden kam blieb sie dort eventuell unerkannt im Unterholz liegen. Vor der Rekultivierung des Geländes mußte daher das gesamte Umfeld des Sprenggeländes vom Kampfmittelräumdienst mit Spezialsonden abgesucht werden. Nach der Absuche befanden sich hunderte von kleinen Löchern im Waldboden um den ehem. Sprengplatz. Diese stammen vom KMRD, welcher an den Stellen die noch scharfe Munition fand und ausgrub.

Hunderte von Löchern im Waldboden stammen vom Kampfmittelräumdienst

Stand 2015

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© Hans-Günther und Jürgen Morr