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Zum Gedenken an Hans Morr

Die alte Wasserversorgung von Rothenberg

Die Gemeinde Rothenberg im südliche Odenwald liegt auf einem nord-südlich verlaufenden Höhenzug zwischen 350 und 480 Meter über Meereshöhe. Die Gebäude in den Ortsteilen Kortelshütte und Ober-Hainbrunn beginnen im Tal schon bei ca. 200 Meter üNN. Der westlich von Rothenberg gelegene Finkenbach und östlich gelegene Gammelsbach entwässern den Rothenberger Höhenzug zum Neckar hin.

Niederschläge nimmt der um Rothenberg anstehende zerklüftete Buntssandsteinboden schwammartig auf. Aufgrund einer waagrecht verlaufenden, wassersperrenden Tonschicht tritt Regenwasser ganzjährig und mit der erforderlichen Schüttmeng erst an den Abhängen des Finkenbach- und Gammelsbachtals in Quellen in einer Höhe von ca 260 Meter üNN wieder zu Tage. Für Anwesen am Quellhorizont war somit die Versorgung mit Trink- und Brauchwasser über das ganze Jahr hin gegeben. Höher liegende Raiten konnten sich durch Abteufen von Schachtbrunnen behelfen, wobei es hier in regenarmen Zeiten zu Wassermangel kam. Alle höher wohnende Bürger mussten Wasser für Mensch und Tier mühsam vom nächsten Laufbrunnen über weite Strecken zu ihren Anwesen transportieren. Besonders bei winterlichen Verhältnissen ein sehr beschwerliches und nicht ungefährliches Unterfangen. Umgekehrt musste zum Waschen der Wäsche weit ins Tal abgestiegen werden. 

Übersicht, Legende zum Bild oben

H = Alter Hochbehälter

Q = Quelle, Einlauf altes Wasserwerk und Standort neues Wasserwerk

AP = Altes Pumpwerk

AG = Ausstellungsgebäude für das alte Pumpwerk (Schmidt'scher Wassermotor und Plungerpumpe)

Blaue Linie = Förderleitung

Rote Linie = Zuleitung

Dieser Zustand ist so alt sein wie die Ortschaft Rothenberg selbst und bis zum Einsetzen der Industrialisierung im achzehnten Jahrhundert war daran nichts zu ändern. Nachdem es aber mit technischen Mitteln möglich war, Wasser über den Quellhorizont hinauf zu befördern, bestand auch in Rothenberg bei den Bürgern, welche im Oberdorf nicht in den Genuss von fließendem Wasser kamen, der Wunsch nach einer ganzjährigen Wasserversorgung bis vor die Haustür. Bis es dazu kommen sollte, vergingen aber noch Jahre. Denn das Ansinnen wurde nicht von den wohlhabenden und einflussreichen Bauern aus dem Ort unterstützt. Sie hatten Aufgrund ihrer am Hang befindlichen tiefer liegenden Anwesen mit ihren Laufbrunnen nie Wassernot.

Nach wiederholten, vergeblichen Fürbitten und Anträgen bei der damaligen Regierung in Darmstadt befasste sich diese dann Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts mit der Thematik. Ein Grund hierfür war, dass- ausgehend von den Städten- nach 1850 damit begonnen wurde, zentrale Wasserversorgungen zu errichten und auch bezahlbare Technologie hierfür zur Verfügung stand.

So wurde dann ein sachkundiger Mitarbeiter der Behörde in Darmstadt, ein Herr Mangold,  nach Rothenberg gesandt, um die Gegebenheiten vor Ort zu prüfen und ein Konzept zur ganzjährigen Wasserversorgung aller Rothenberger Bürger zu erarbeiten. Nach eingehender Prüfung und abwägung verschiedener Möglichkeiten schlug der erfahrene Mann folgende Lösung vor:
Im Tal des Clemensbrunnens sollte die dortige Quelle, der Grosse Brunnen, gefasst werden. Dessen Wasser sollte mittels Druckleitung einem tiefer liegenden Wassermotor zugeführt werden. Der Wassermotor sollte wiederum eine Pumpe antreiben, mittels dieser das Quellwasser auf die Rothenberger Höhe in einen Hochbehälter gepumpt würde. Vom Höchbehälter aus könne die Verteilung zu den Verbrauchern mittels natürlichem Gefälle erfolgen. Da sich zu dem damaligen Zeitpunkt noch keine Elektrifizierung in der Gegend befand, schied der Pumpenantrieb mittels Elektromotor aus. Ein Antrieb mittels Verbrennungsmotor wurde damals wegen dessen hoher Betriebskosten nicht in Erwägung gezogen. Letzendlich wurde der Vorschlag von Herr Mangold angenommen und im Jahre 1902 mit dem Bau der Wasserversorgung begonnen.

Höhen üNN. der Anlagen am Abhang zum Gammelsbachtal

Höhenlagen

220 müNN Pumpwerk mit Schutzbau, Auslauf von Antriebswasser

260 müNN Quelle "Grosser Brunnen" mit Einlauf der Druckwasserleitung

488 müNN Hochbehälter und Auslauf an tiefer liegende Endverbraucher

 

Demnach musste das Wasser aus dem Tal über eine Höhe von 288 Meter zum Hochbehälter gepumpt werden.

Als Antriebsdruck für den Wassermotor stand eine Wassersäule von 40 Meter Höhe = 4 bar Druck zur Verfügung.

Die Anlagen der Wasserversorgung

 

Quelle und Triebwasserleitung

Im Tal des Clemensbrunnen befindet sich am rechten Talrand 260 Meter üNN. die Quelle des "Grossen Brunnen". Aufgrund ihrer ganzjährig ausreichenden Schüttmenge wurde die Quelle gefasst und das Wasser grob gefiltert in einen Einlaufschacht geleitet. Diesem schloss sich eine im Durchmesser 150 mm messende gusseiserne Triebwasserleitung an, welche das Quellwasser in das 40 Höhenmeter tiefer im Tal liegende Pumpenhaus beförderte.

Vor dem Bau der Triebwasserleitung und das nachfolgend beschriebene Pumpenhauses wurde auf der nördlichen Talseite ein Betriebsweg angelegt, welcher heute noch vorhanden ist, aber nicht mehr unterhalten wird. Die Triebwasserleitung wurde parallel und oberhalb des Weges in frostsicherer Tiefe verlegt.

Das Pumpenhaus

Das Pumpenhaus wurde im Tal des Clemensbrunnen in Beton-Massivbauweise in den Hang hinein errichtet, so dass auch heute noch nur die Vorderfront mit der Zugangstür zusehen ist. Hierdurch erreichte man eine größtmögliche Frostsicherheit. Zur Aufnahme der beiden Hochdruckpumpen und dem Wassermotor wurden massive Fundamente auf dem betonierten Gebäudeboden errichtet. Die Druckwasserleitung des Triebwassers trat durch die Rückwand (bergseitig) in das Gebäude ein. Mittels Verteiler und Schieber konnte das Triebwasser der jeweiligen Pumpe zugeführt oder gänzlich abgesperrt werden. Das drucklose, überschüssige Antriebswasser wurde in den aussen vorbei fliessenden Bach abgeleitet. Im Pumpenhaus befanden sich ferner alle für den Anlagenbetrieb nötigen mechanischen Regeleinrichtungen. Verschlossen wurde das Gebäude ehmals mit einer zweiflügeligen, mit Eisenblech beschlagenen Eisentür, welche als Zierrat zwei plastische Löwenköpfe besaß. Vier Lüftungsrohre auf den Ecken des Flachdachs dientem dem Atmosphärenausgleich.

Das Innere des sonst fensterlosen Gebäudes wurde durch eine runde Glaskuppel auf der Gebäudedecke mit Tageslicht versorgt. Heute ist das Pumpenhaus als Fledermausquartier hergerichtet und nicht zugänglich. Die Öffnung der Lichtkuppel ist heute verschlossen.

Löwenkopf von einer Eingangstür
April 1996, Hans Karl inspiziert den Zustand der Anlage im alten Pumpenhaus

Der Wassermotor

Wegen der zum Planungszeitpunkt in dem abgelegenen Tal fehlenden Stromversorgung entschied sich der für die Anlagenrealisierung verantwortliche Ingenieur Mangold für einen Druckwasser-Kolbenmotor der Firma Albert Schmid aus Zürich. Die Maschine benötigte ausser Druckwasser keine Fremdenergie. Die Möglichkeit Wasser mittels Wasserkraft zu heben war nicht neu. Im Bergbau existierten Wasserhebemaschinen schon seit Jahrhunderten. Vergleichbare Wassermotore hatten sich auch schon in den Bergwerken des Oberharzer Bergareals zum Heben von Wasser bewährt.

Der überwiegend aus Gussmetall hergestellte Motor hatte zwei Zylinder mit 120 ° Kurbelversatz, was den selbstständigen Anlauf nach Öffnen der Druckwasserversorgung ermöglichte. Die Zylinder wurden wechselweise mit Druckwasser beaufschlagt. Das hierdurch erzeugte periodische Aus- und Einfahren  der Kolben wurde durch eine Kurbelwelle in eine Drehbewegung umgewandelt. An einem freien Ende der Kurbelwelle befand sich ein Schwungrad, welches durch seine Massenträgheit den Rundlauf der Maschine verbesserte und auch für das Auflegen eines Flachriemens und somit den Antrieb einer Transmision genutzt werden konnte. Am genüber liegenden Ende der Kurbelwelle war mittels Kupplung die Wasserpumpe angeflanscht.

Schnitt durch den Schmid'schen Wassermotor

Die Steuerung von Triebwasser Ein- und Auslass erfolgt durch die oszillierende Bewegung der Zylindereinheit in Verbindung mit der Kurbelwellendrehung. Hierdurch wurden die Steueröffnungen für das Triebwasser im Wechsel geöffnet. Anlagenzerstörerische Druckspitzen, welche beim kurzzeitigen Verschließen der Steuerkanäle auftraten, wurden durch einen Windkessel kompensiert. Durch eine einfache, manuelle Verstellung konnte der Spalt zwischen Block und oszillierendem Zylindergehäuse stufenlos eingestellt werden, so dass sich durch den Wasserdruck beide Teile gegeneinander abhoben. Man vermied hierdurch mechanische Reibung bzw. Verschleiß an den Kontaktflächen. Wasser diente als hier auch als Trennmittel. Zu grosse Spaltmasse führten jedoch zu hohem Leckagewasser, Druckverlust und geringem Nutzgrad. Wie zum damaligen Zeitpunkt üblich wurden Kolbenstange und Kolben mit Stopfbuchsen aus Talgstricken abgedichtet. Die Lager der Anlage bestanden aus Bronze. Ein regelmäßiges, üppiges Ölen und Schmieren war grundvoraussetzung für einen störungsfreien Anlagenbetrieb. Was natürlich auch für die weiter unten beschriebene Hochdruckpunpe zutraf.

 

Im Jahr 1904 wurde ein zweiter Wassermotor angeschafft, welcher bei Ausfall / Wartung des ersten Motors den Antrieb der Wasserpumpe übernahm.

Perfekt restauriert: Der Schmid'sche Wassermotor (rechts) und die Hochdruck- Plungerpumpe im neuen Ausstellungsgebäude

Die Pumpe

Von der Pumpe bis zum Hochbehälter musste das Wasser 290 Meter hinauf gepumpt werden, was einem Druck von ca. 30 bar entspricht. Hier fiel die Wahlauf eine Dreizylinder Hochdruck Plungerpumpe der Fa. Berlin. Die Pumpe war über eine elastische Kupplung direkt mit dem Wassermotor verbunden. Umgekehrt wie beim diesem wurde die Antriebs-Drehbewegung mittels einer Kurbelwelle wieder in eine Linearbewegung umgewandelt, so dass die drei Pumpenkolben phasenversetzte, periodische Saug- und Druckhübe ausführten. Schwachpunkt der Pumpe waren die Ventile, welche durch die Druckdifferenzen beim Ansaugen und Verdichten durch die Druckdifferenzen selbständig schlossen bzw. öffneten. Durch den hohen Druck wurden die Dichtungen und Ventilsitze stark beansprucht. Als gängiger Dichtungswerkstoff stand zu Beginn des zwanstigsten Jahrhunderts nur Leder zur Verfügung. Das Material war zwar recht billig, hatte aber auch nur eine geringe Standzeit. Häufiger Wechsel der Dichtungen war demnach erforderlich. In den späteren Jahren wurden die Lederdichtungen dann von den Wassermeistern durch Kunststoffdichtungen ersetzt, was die Wartungszyklen erheblich verlängerte.

Die Förderleistung der Pumpe betrug bei 80 UPM ca. 42 Liter pro Minute. Somit konnten in 24 Stunden etwa 60 m3 Trinkwasser in den Hochbehälter gepumpt werden.

Um im Falle eines Pumpendefektes weiterhin Wasser fördern zu können, stand spiegelbildlich angeordnet eine baugleiche Reservepumpe bereit.

 

Da sich am grundlegenden Aufbau einer Plungerpumpe bis heute nichts geändert hat, kann man deren Funktionsweise aus der folgenden Animation ersehen.

April 1996, noch im alten Pumpenhaus: Im Vordergrund eine Pleulstange der ersten Wasserpumpe, in der Bildmitte rechts gut zu erkennen die beiden Zylinder des Wassermotors. Hinter dem Schwungrad die zweite Pumpeneinheit

Die folgenden drei Doppelbilder stammen vom April 1996 (links) und September 2013

Die alte Pumpstation, die Bäume im Vordergrund haben sich in den 17 Jahren zw. den Aufnahmen unwesentlich verändert
Schild des Schmid'schen Wassermotors vor- und nach der Restaurierung
Glaskuppel auf dem Flachdach und die heute verschlossene Lichtöffnung
Das Innere des alten Pumpenhaus mit den Funamenten für Wassermotoren und Pumpe, es ist heute verschlossen und Quartier für Fledermäuse
Blick talaufwärts zur Quelle bez. dem ehem. Wassereinlauf, alter Betriebsweg, an der rechten Hangkante liefen die Wasserleitungen entlang

Der Hochbehälter

Für die Speicherung des aus dem Tal hoch gepumpten Wassers wurde auf der Anhöhe östlich des Ortes zeitleich mit den anderen Anlagen ein Sammelbehälter errichtet. Dieser hatte ein Fassungsvermögen von 100 m3. Davon wurde die Hälfte als Brandreserve zurück gehalten. Der Behälter wurde nach Aufgabe der Pumpanlage nicht weiter verwendet, da er nicht mehr dem gestiegenen Wasserverbrauch entsprach. Der Bau ist unter Buschwerk gut versteckt heute noch erhalten.

Am höchsten Punkt der Wasserleitung befindet sich der alte Hochbehälter
Wassserverteiler im alten Hochbehälter, schon lange ausser Funktion
Immer noch an gleicher Stelle: Ehem. Wassereinlauf zur alten Pumpe und heutige Pumpstation
Inschriftenplatte über dem Eingang des alten Hochbehälters

Restaurierung und neuer Standort

Nach dem Ausbau von Wassermotor und Pumpe aus dem alten Pumpenhaus im Gammelsbachtal erfolgte die aufwändige Restaurierung der Komponenten durch den Verein Museumsstrasse Odenwald.

Da das alte Pumpenhaus recht unzugänglich liegt, entschloss man sich an verkehrsgünstiger gelegener Stelle ein neues Ausstellungsgebäude zu errichten und die Anlage darin fünktionsfähig zu installieren. Neuer Gebäudestandort wurde die ca. 700 Meter südlich von Rothenberg gelegene Ostseite des Finkenbachtals unterhalb des Hämerichsbrunnens und an der Landstrasse nach Kortelshütte gelegen. Der Hämerichsbrunnen verfügt über eine ausreichende Schüttmenge zum Betrieb des Schmid'schen Wassermotors. Direkt vor dem Neubau befindet sich ein Parkplatz. Die Anlage kann nach vorheriger Anmeldung bei der Gemeinde Rothenberg oder am Tag des offenen Denkmals besichtigt werden.

Das neuer Ausstellungsgebäude der Pumpenanlage an der Landstrasse zw.Rothenberg und Kortelshütte (L3410)

Quellen

@ Zur Geschichte der Wasserversorgung im südlichen Odenwaldkreis.

@ Thomas Wilcke: Rothenberger Wassernöte, warum in dem Höhendorf des südlichen Odenwaldes das Wasser bergauf fließt.

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© Hans-Günther und Jürgen Morr