Nur verhältnismäßig wenigen Leuten ist bekannt, dass es in dem Odenwaldstädtchen Schönau im Mittelalter ein bedeutendes Kloster gab.
Der Verlauf der ehemaligen 1,1 km langen Klostermauer zeichnet sich auch heute noch in der Kontour des Stadtbildes ab. Mit einer umfriedeten Fläche von annähernd 70.000 m2 entsprach das Kloster der Fläche des heutigen Stadtkerns von Schönau.
Die Stadt Schönau hat in der jüngsten Vergangenheut viele Anstrengungen unternommen, um die Reste der abgegangenen Anlage zu sichern und im heutigen Stadtbild kenntlich zu machen.
Die Initiative zur Gründung des nur zwei Stunden östlich von Heidelberg gelegenen Klosters Schönau ging von Bischof Burkhard von Worms aus. Dieser hatte 1142 bei dem Generalkapitel der Zisterzienser in Citeaux um die Errichtung einer Abtei in dem zu seiner Diözese gehörenden Steinachtal gebeten. Darauf erhielt das Kloster Eberbach im Rheingau den Auftrag, in dieser schmalen Senke des südlichen Odenwalds einen neuen Konvent zu gründen. Der Einzug der Eberbacher Mönche, deren Abtei erst 1136 von Clairveaux aus gebildet worden war, erfolgte am 21. März 1145. Im Zuge der schnellen Verbreitung des Zisterzienserordens übersiedelten 1189/1190 zwölf Schönauer Mönche mit dem Gründungsabt Diepold in das aufgegebene Prämonstratenserkloster Bebenhausen, um dort eine weitere Abtei als Tochterkloster zu errichten. Über Schönau und Eberbach gehörte Bebenhausen zur Filiationslinie der Ursprungsabtei Clairveaux.
Da das klösterliche Umfeld in der engen Senke kaum landwirtschaftlich genutzt werden konnte, war die Steinachtalabtei auf den Erwerb von Grund und Boden in den fruchtbaren Rhein-und Neckarniederungen angewiesen. Neben den Wormser Bischöfen, den Heidelberger Pfalzgrafen/Kurfürsten und einigen Adeligen im Gebiet des Unteren Neckars erwiesen sich auch städtische Patrizier - und Bürgerfamilien aus Heidelberg, Worms, Ladenburg, Speyer und Frankfurt als Gönner der Abtei, die als Gegenleistung die Stifter in ihre Gebetsgemeinschaft einschloss. Es entsprach der zisterziensischen Arbeitsethik, dass ihr landwirtschaftlicher Besitz nicht von Leibeigenen bearbeitet wurde. In der Regel handelte es sich um sogenannte Grangien, Höfe, von denen aus das umliegende Land durch Konversen (Laienbrüder) bewirtschaftet wurde.
Schon zu Beginn des 14. Jhs. ging die vom Kloster in Eigenbewirtschaftung durchgeführte Landwirtschaft zurück. Viele Hofgüter wurden verpachtet, wobei drei Formen unterschieden werden konnten. Einmal der Zeit - oder Temporalbestand. Zweitens die Verpachtung auf Lebenszeit des Pächters. Drittens die Dauerverpachtung an eine Familie über mehrere Generationen hinweg. Oft befand sich der klösterliche Besitz in Streulage unter den Äcker und Fluren der nicht der Klosterherrschaft unterliegenden Dorfbewohner. Daraus sind viele Konflikte entstanden. Zum Beispiel in Plankstadt, Viernheim, Schriesheim, Oppenau oder in einigen Kraichgaugemeinden. Den größten Gewinn konnte das Kloster Schönau aus den an der Bergstraße verpachteten Weinbergen erzielen. Darüber hinaus erwarb das Kloster kontinuierlich einträgliche Patronats- und Zehntrechte.
Entgegen den ursprünglichen Vorstellungen der Zisterzienser, die ihre Klöster in ländlichen Gegenden gründen und in Zurückgezogenheit leben wollten, setzten sie sich jedoch auch in städtischen Zentren nieder. Urbaner Bezugspunkt für das Schönauer Kloster wurde die Residenz-und Universitätsstadt Heidelberg. Im dortigen Mönchof baute die Abtei ihren städtischen Besitz zu einem ökonomischen und administrativen Zentrum aus. Hier vermarktete sie die Überschüsse aus den Grangien, betrieb eine Mühle, hatten die Neckarfähre im Besitz und war Eigentümerin von 40 Häusern. Auch in Speyer, Worms und sogar in dem etwas weiter entfernten Frankfurt wurden die Schönauer Mönche, wenn auch in geringerem Maße zu Gestaltungsfaktoren der städtischen Ökonomie.
Die Wirtschaftskraft des Schönauer Klosters kam dem Landesherrn zugute. Dieser fungierte nicht nur als Schutzherr der Abtei, sondern griff bei Bedarf auch auf deren ökonomische und finanzielle Ressourcen zurück. So war das Kloster zur finanziellen Unterstützung der Heidelberger Universität verpflichtet und musste einige "Reiswagen" in diversen Kriegen ausstatten. Nach 1500 stieg die finanzielle Beanspruchung durch die Kurpfalz an, sodass Teile des Klosterbesitzes verkauft werden mussten. Nach Schaab war die vorreformatorische Schönauer Wirtschaftskrise eher eine Folge solcher externer Ansprüche als eine Konsequenz interner ökonomischer Zerrüttung.
Wenn das Kloster Schönau in den Jahrhunderten seiner Existenz niemals feindlicher Zerstörung ausgesetzt war, lag das am wirkungsvollen Schutz durch die pfalzgräflich/kurfürstlichen Landesherrn, deren enge Bindungen an die Abtei sich auch darin, zeigte, dass diese in den frühen Jahren als Grablege der Herrscherfamilie genutzt wurde. Zur Feier kirchlicher Feste zogen sich diese öfters nach Schönau zurück. Auch Könige und Kaiser erließen mehrere Privilegien für Schönau. So nahm Barbarossa 1169 das Kloster in seinen Schutz auf. Auch päpstliche Unterstützung wurde dem Kloster gewährt. Am weitesten ging das Privileg von Papst Innozenz III. vom Jahre 1204. Schönau sollte demnach von allen Zehntabgaben befreit bleiben. Weder von bebautem noch von unkultiviertem Land, noch von Fischwassern oder von Viehbeständen hatte es Abgaben zu entrichten.
Kirchenrechtlich besaß das Kloster eine Sonderstellung innerhalb des Bistums Worms. Die Schönauer Äbte waren von der Teilnahme an den vom Bischof einberufenen Synoden befreit. Das Kloster unterstand auch nicht der Kontrolle durch Diözesanvisitationen. Auch stand den Wormser Bischöfen kein Einfluss auf die Wahl der Äbte zu. Allerdings hatten die Bischöfe das Recht, die Weihen der Novizen durchzuführen.
Auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung lebten im Kloster Schönau ca. 300 Mönche. Die gleiche Zahl machten die Konversen aus, die entweder im Kloster selbst lebten oder in dessen Grangien und Stadthäusern. Die Äbte wurden unter Aufsicht des Abtes des Klosters Eberbach von allen Mönchen im Kapitelsaal gewählt. Sie entstammten entweder dem Mutterkloster, dem Tochterkloster oder aus Schönau. In den ersten Jahrzehnten waren es meist Adelige, während später die Zahl der bürgerlichen überwog. Weniger als über die Herkunft der Äbte wissen wir über die Biographie der Mönche. Wenn diese adeligen oder bürgerlichen Familien stammten, brachten sie ihr Vermögen in das Kloster ein. Eine ganze Reihe von Grabsteinen weist auf die Verbindung des Schönauer Klosters zum regionalen Adel hin. Eine hervorgehobene Rolle spielten die Schenken von Erbach.
Zwei Ereignisse von überregionalem Bekanntheitsgrad sind mit der Schönauer Klostergeschichte verbunden. Das ist einmal die Geschichte der Hildegunde, die 1186 in das Kloster als Novize aufgenommen wurde und nach zwei Jahren, geschwächt durch die Arbeiten an den Klostergebäuden, verstarb. Erst bei der Leichenwäsche wurde ihr Geschlecht erkannt. Bei der zweiten Begebenheit handelt es sich um einen Aufstand der Konversen im Jahre 1180. Der hohe Bekanntheitsgrad dieser beiden Geschichten ist einem Bilderzyklus aus dem 16. Jh. zu verdanken.
Leider wissen wir über die Schönauer Klosterbibliothek kaum etwas. Diese muss allerdings reichhaltig gewesen sein, hatte die Abtei im Steinachtal doch eine bedeutende Aufgabe für die universitäre Bildung der Zisterzienser. Die Schönauer Äbte leiteten das bereits im Gründungsjahr der Heidelberger Universität 1386 von Kurfürst Ruprecht gestiftete St. Jakobskolleg, das eng mit der neuen Hochschule verbunden war. Zunächst war dieses akademische Studienkolleg für Mönche der pfälzischen Zisterzienserklöster gedacht, nahm aber bald auch Studierende aus anderen deutschen Territorien auf.
Schon in der Mitte des 13. Jhs. hatte das Kloster seine architektonische Struktur gewonnen. Die große an der Nordseite der Klausur stehende Kirche entsprach in ihren Ausmaßen der Kirche des Mutterklosters Eberbach und war größer als die Kirche des Klosters Maulbronns. Sie ist wie der größte Teil der Anlage nicht mehr erhalten und wurde im Zuge der Besiedelung durch die Wallonenen zerstört. Auf einem Teil der Anlage wurden deren Wohnhäuser errichtet. Gleichwohl blieben einige markante Reste des Klosters erhalten: die Hühnerfauteil, das Westtor und vor allem das Refektorium der Mönche, das heute als evangelische Kirche dient. Im südlichen Teil des Kreuzgangs wurde im 18. Jh. die katholische Kirche errichtet. Die Brunnenschale des Kreuzgangs steht heute an der südlichen Seite des Marktplatzes. Ausgrabungen haben in den letzten Jahren Reste der Klosterkirche frei gelegt.
Quelle:
1. = Schneidmühle
2. = Pfortenhaus
3. = Klostertor (erhalten)
4. = St. Georgs-Kapelle
5. = ?
6. = Ölmühle
7. = Hühnerfautei (erhalten)
8. = ?
9. = ?
10. = ?
11. = Klosterschmiede
12. = Refektorium
13. = Infimerie / Hospital
14. = Fraternei / Dormitorium
15. = Abtshaus
16. = Klosterkirche
17. = Klostermauer
18. = Kreuzgang und Lavatorium
Eingefügt in die Ringmauer des ehemaligen Zisterzienserklosters stand das – heute von ursprüngliche 4 Hauptzugängen noch einzig erhaltene – Klostertor, das aus einer Fußgängerpforte und einem Tor für Fahrzeuge besteht. Dahinter zieht der ehemals einzige Verbindungsweg (heute: Ringmauerweg - Torweg) nach bzw. von Heidelberg und Neckarsteinach und dem oberen Steinachtal.
Links (südlich) des Tores steht das sog. Torhaus, das in Fachwerkbauweise nach der Klosterzeit auf den Fundamenten der ehemaligen „Georgskapelle an der Pforten“ um 1600 erbaut wurde.
Das Torhaus wurde auf die Fundamente und unter Benutzung von Mauer- und Architekturteilen (z.B. gotisches Portal, Spitzbogenfenster in der Nordwand) der 1326 erstmals erwähnten Pfortenkapelle "St. Georg" gebaut. Diese Georgskapelle war auch für Frauen, denen der gesamte Klosterbezirk verschlossen blieb, zugänglich. Jetzt befindet sich dort u. a. die öffentliche Bücherei der katholischen Kirchengemeinde Schönau (Öffnungszeiten: Sonntag 10-11 Uhr; Donnerstag 16-17 Uhr).
Oben links am Tor befindet sich eine Konsole mit der Jahreszahl 1532. Sie rührt von einer Renovierung des Torbaues gegen Ende der Klosterzeit her. Die Toranlage stammt aus dem 12.-13. Jahrhundert. Der frühgotische Türbogen zum Torhaus ist noch von der Georgskapelle, die sich dort zur Klosterzeit befand, erhalten. Das Untergeschoß des Hauses ist aus zusammengetragenen Teilen aus anderen Gebäuden gefügt (Fensterbrüstungen).
Das Fachwerkhaus ist von den1562 eingewanderten wallonischen Besiedlern des damals leer stehenden Klosters erstellt. Die einfache aber zweckmäßige Bauweise weist auf die Not der neu angesiedelten Religionsflüchtlinge hin, die sich luxuriösere Bauten nicht leisten konnten.
Die Harmonie zwischen dem Klostertor und dem später angefügten Torhaus beweist jedoch, dass man in seiner finanziellen Beschränkung Stilgefühl und Geschmack hatte, so dass das Motiv gleichermaßen als Wahrzeichen und Symbol für Schönau gilt.
Über den beiden romanischen Torbögen des Tores befand sich zur Klosterzeit ein Fachwerküberbau.
Auf der Außenseite des Klostertors finden sich zwei in Sandstein gehauene Inschriften. Die untere lautet „Scoenovia“, die ehemalige Schreibweise für Schönau.
Die obere ist stark verwittert und lautet: „Ore tuo Christe benedictus sit locus iste quocum pie pia las tibi virgo Maria“ – zu deutsch: „Durch deinen Mund, Christus, sei dieser Ort hier gesegnet, und mit ihm sei Lob und Preis dir Jungfrau Maria.“
Quelle: Homepage der Stadt Schönau
Das romanische Steinhaus auf dem Gelände des ehemaligen Zisterzienserklosters Schönau wurde laut dendrochronologischer Untersuchung 1250/51 erbaut. Es handelt sich um eines der wenigen in
Baden-Württemberg erhaltenen romanischen Profangebäude. In ganz Westdeutschland gibt es nur noch etwa 500 ältere oder gleichalte Profanbauten. Neben dem hohen Alter und der guten Befundlage für den
ersten Bauzustand, ist das Gebäude ein wichtiges Zeugnis für die Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte des im 16. Jh. abgegangenen Klosters.
Die um 1600 zur Stadt erhobene Ortschaft Schönau gehört heute zum Rhein-Neckar-Kreis. Sie liegt am Oberlauf der Steinach, die nahe bei Heidelberg in den Neckar mündet. Die Hühnerfautei befindet sich
südlich des ehemaligen Herrenrefektoriums, d.h. sie wurde außerhalb des ummauerten Klausurbereichs mit ihrer südlichen Schauseite zum ehemaligen Wirtschaftshof des Klosters hin erbaut. Zwei
vermutlich um 1560 entstandene Ansichten im sogenannten Kurpfälzischen Skizzenbuch (Aufbewahrungsort: Staatsgalerie Stuttgart) zeigen als weiteres Gebäude des Wirtschaftshofes einen gotischen
Speicherbau mit steilem Walmdach östlich der Hühnerfautei.
Erst seit dem 19. Jh. wird das Gebäude als Hühnerfautei bezeichnet. Jedoch auch der ältere Name "Hinkelhaus" - abgeleitet von Hünkel = Huhn - deutet auf die Tätigkeit eines Zinsmeisters oder Beamten
im Gebäude hin, der Steuerleistungen (Zins, Zehnt) in Geld oder Naturalien (z.B. Geldhuhn, Hühnergeld) einzog. Dieser Beamte wurde u.a. auch als Hühnerfaut, d.h. als Hühnervogt bezeichnet.
Der dreigeschossige Mauerwerksbau besitzt ein zweigeschossiges Satteldach und zwei nachträglich abgetiefte Kellerräume. Das 1. OG wird durch eine Außentreppe separat erschlossen. Unregelmäßig angeordnete, leicht spitzbogige und rechteckige Fensteröffnungen aus verschiedenen Bauzeiten und der hellrot rekonstruierte Anstrich prägen das Gebäudeäußere. Seit der 1994-1998 durchgeführten Sanierung beherbergt das Gebäude Museumsräume und einen Saal im 1. OG.
Quelle:Denkmalpflege in Baden Württemberg 1999
Das Refektorium war der gemeinsame Speisesaal der Mönche. Er lag grundsätzlich mit dem Dormitorium und dem Bau der Laienbrüder am Kreuzgang und senkrecht zur Kirche. Die Laienbrüder hatten einen eigenen Speisesaal, da sie außer zu bestimmten Gelegenheiten nicht mit den Herrenmönchen in Kontakt treten durften (in Schönau nicht erhalten).
Nach Aufhebung des Klosters erfolgte die Umwidmung in die Stadtkirche, wodurch das Gebäude von der Zerstörung verschont blieb.