Streckenkilometer 9 bis 16 - Bahnhof Waldmichelbach bis zum Streckenende in Wahlen
Während die Bahnstrecke von ihrem Ausgangspunkt in Mörlenbach stetig steigend und in schlängelndem Verlauf am rechten Talrand des Mörlenbachtals entlang ihren höchsten Punkt in Kreidach erreicht hat, führt sie nach einer Kurve im Wald-Michelbacher Tunnel geradelinig auf den Bahnhof Waldmichelbach zu. Bis Unter-Waldmichelbach fällt die Strecke um 62 Höhenmeter um hiernach nochmals bis zu ihrem Endpunkt in Wahlen ohne engere Kurven um etwa den gleichen Betrag wieder auf 371 Meter üNN. anzusteigen.
In Wald-Michlbach wurden 2 Bahnhöfe angelegt. Einer im Oberdorf bei Streckenkilometer 9,6 und einer bei Streckenkilometer 10,8 im Unterdorf. Grund für die beiden Bahnhöfe war, dass sich Wald-Michelbach damals in ein Wohn- und eine Industrieareal aufteilte, welche räumlich getrennt voneinander lagen. Im Oberdorf befand sich der alte Ortskern mit Geschäften und im Unterdorf existierten Bergbau und holzverarbeitende Industriebetriebe, welche die Bahn für den Abtransport ihrer Erzeugnisse benötigten.
Die heute nicht mehr existierenden Hessischen Hölzer Werke verfügten über einen eigenen Gleisanschluß, über welchen schon zuvor die aus dem Grubenfeld Aussicht per Materialseilbahn gelieferten Erze verladen und zu den Eisenschmelzen in Lothringen transportiert wurden.
Streckenkilometer 9,6 - Bahnhof Waldmichelbach
In nächsten Bild sieht man auf der linken Seite das Wohnhaus ehemaliger Bahnbediensteter. In der Bildmitte das Bahnhofsgebäude, in welchem sich ein Fahrkartenschalter und ein Wartesaal befand. Heute beherbergt das Gebäude einen Pflegedienst und ein Bistro.
Im Vordergrund rechts befanden sich 2 Rangiergleise, welche in einen nicht mehr vorhandenen Lokschuppen mündeten. Der Lokschuppen stand auf der Fläche der neuzeitlichen Halle, rechts im nächten Bild. Diese dient heute dem Unterstand und als Reparaturstätte für die Elektrodraisinen.
Im Rahmen des Ausbaus für die Solardraisinen wurde das Bahnhofsareal umfänglich und nutzungsgerecht modernisiert.
Folgende Bilder zeigten das Bahnhofsgebäude Waldmichelbach. Im rechten Foto auf der linken Seite ein Anbau, welcher zur Bahn-Betriebszeit als Umschlaglager genutzt wurde.
Zur Betriebszeit der Dampflokomotiven befanden sich im Bahnhof Ober-Waldmichelbach zwei Wasserkräne. Mittels diesen wurden die Wassertanks der Dampflokomotiven aufgefüllt, da durch die starke Steigung von Mörlenbach bis nach Kreidach viel Dampf benötigt wurde.
In der ehemaligen Lagerhalle rechts unten im kleinen Bild wurden überwiegend landwirtschaftliche Erzeugnisse und Brennstoffe gelagert. In den 1980-er Jahren befand sich hier eine Raiffeisen Niederlassung, welche in den Gebäuden Dünge- und Futtermittel sowie Handwerkzeuge für die hiesigen Landwirte lagerte bzw. dort verkaufte.
Erwähnenswert ist noch die zwischen Bahnhofsgebäude und Lagerhalle befindliche Wiegeeinrichtung mit den schön restaurierten Wiegehäuschen.
Streckenkilometer 9,8 - Brücke über den Wetzkeil
Nach dem Bahnhof Waldmichelbach überquert die Bahnlinie die Straße "Im Wetzkeil" über ein etwa 5 Meter hohes und 8 Meter langes Brückenbauwerk. Die Inbetriebnahme des Bauwerks erfolgte ebenfalls am 01.03.1901.
Dem Verlauf des talwärts strebenden Bahndamms wurde die parallel verlaufende Straße "Am Bahndamm" angebaut. Die Strecke beschreibt eine Rechtskurve und nähert sich damit der Hauptstraße von Wald-Michelbach, der Ludwigstraße.
Parallel zu dieser läuft die Bahnlinie in einer leichten Linkskurve dem Bahnhof Unter-Waldmichelbach zu, welchen sie bei Streckenkilometer 10,8 erreicht. Vorher wird noch der aus nord-westlicher Richtung talwärts laufende Gaderner Bach wiederum auf einem kleinen Brückenbauwerk überquert und die Straße "Am Bahndamm" gekreuzt.
Streckenkilometer 10,9 - Bahnhof Unter-Waldmichelbach
Der Unter-Waldmichelbacher Bahnhof lag im Zentrum des um 1900 dort befindlichen Wirtschaftsbereichs. Um ihn gruppierten sich für die damalige Zeit bedeutende Bergwerksfelder und Fabriken. Hierzu gehörten die Adolf Koch Werke in Aschbach und die Hessische Hölzerwerke Schlerf in unmittelbarer Bahnhofsnähe.
Von den Gruben im Feld Seufzen "Aussicht" verlief eine Materialseilbahn der renomierten Fa. Adolf Bleichert aus Leipzig vom Grubenfeld bis an den Bahnhof. Dort wurden die Erze gereinigt und getrocknet um anschließend mit der Bahn nach Lothringen zur Verhüttung transportiert zu werden. Die dortigen Industriegebiete geörten bis nach dem 1. Weltkrieg zum Deutschen Reich.
Die Hessichen Hölzerwerke waren mit bis zu 1.500 Beschäftigten der größte Arbeitgeber der Region. Sie verarbeiteten das im Überwald reichlich vorkommend Holz zu Gebrauchsgegenständen wie Besen, Bürsten und Kleiderbügel.
Die zwischen Wald-Michelbach und Aschbach ansässige Fa. Adolf Koch war Hersteller von Pappen und Kartonagen. Unter anderem wurden Schuheinlagen und PKW Türverkleidungen produziert. Die Industriegebäude wurden nach Insolvenz der Firma in den 60-er Jahren niedergelegt. Heute befindet sich auf deren ehemaligem Areal der Bauhof der Gemeinde Wald-Michelbach und weitere Kleinfirmen.
Die Überwaldbahn war für den Transport aller Fertigprodukte ins Rheintal und darüber hinaus, sowie das Pendeln der Arbeiter aus dem Mörlenbach- und Ulfenbachtal existentiell. Umgekehrt wurde damals die in allen Haushalten benötigte Kohle für den Hausbrand von den Rheinhäfen in Mannheim mittels Bahn in den Odenwald transportiert.
Aber auch die hiesigen Kleinunternehmen wie Steinbrüche, Sägewerke, Mühlen und Schmieden waren auf den im Vergleich zum Fuhrwerk preisgünstigen Bahntransport angewiesen.
Das Bahnhofsgebäude wird heute als Jugendzentrum und Kino genutzt.
Entsprechend groß war das Areal der Bahnhofs Unter-Waldmichelbach. Nur mittels seines verzweigten Gleisnetzes war das Rangieren, Be- und Entladen der Züge zu bewerkstelligen. Auf alten Bildern sind noch die umfangreichen Umschlaghallen zu sehen, welche ehemals als Zwischenlager dienten, heute aber längst niedergelegt sind.
Die Hessische Hölzerwerke hatten einen ab Bahnhof Unter-Waldmichelbach abzweigenden ca. 200 Meter langen Gleisanschluß, welcher heute noch ansatzweise erhalten ist.
Dieser wurde schon zur Erbauungszeit der Überwaldbahn angelegt, um die Erze aus den Minen im Ulfenbachtal auf die Bahn verladen zu können.
Die Hessische Hölzerwerke ergänzten den Gleisanschluß um eine weitere Weiche und eine elektrisch angetriebene Drehscheibe, mittels derer Güterwägen zwecks lokaler Beladung auf der Stelle im rechten Winkel gedreht werden konnten.
Die werksinternen Rangierarbeiten wurden von einer dafür abgestellten Köf II Diesel-Kleinlock bewerkstelligt.
Ab dem Bahnhof Unter-Waldmichelbach wurden die Gleise der Überwaldbahn entfernt und eine feine Splitschicht aufgebracht.
Der Bahndamm dient heute als Wander- und Radweg. Außer dem Bahndamm selbst und einigen Kilometersteinen erinnert dort und bis zum Ende der Bahnlinie in Wahlen nur noch wenig an die Eisenbahnzeit.
Das Erhaltene wollen wir uns aber dennoch ansehen.
Bahnrelikte im Bereich des Unter-Waldmichelbacher Bahnhofs:
Streckenkilometer 11,9 - Haltepunkt Aschbach
Nur eine Kilometer vom Bahnhof Unter-Waldmichelbach entfernt befand sich der Haltepunkt Aschbach. Der Haltepunkt lag- wie die zurück liegenden Haltepunkte- etwa 500 Meter vom Dorfzentrum entfernt. Er verfügte über ein aus Backsteinen gemauertes Warteäuschen mit Flachdach, welches heute noch mit vermauerten Fenstern und verschlossener Tür erhalten ist. Davor kann man den ehemaligen Bahnsteig noch erkennen.
Nach dem Haltepunkt Aschbach läuft der gleislose Bahndamm bei Streckenkilometer 12,4 am ehemaligen Granitsteinbruch der Stadt Worms vorbei. Die Abbaustelle beträgt ca. 50 m Länge x 30 m Tiefe und 20 m Höhe. Der Steinbruch verfügte zur Betriebszeit über ein eigenes Beladegleis. Dessen Damm lässt sich heute noch unschwer parellel zum Hauptdamm der Bahn verfolgen (rote Füllung im nächsten Bild). Schaut man sich die Gegebenheit vor Ort an, so kann man leicht nachbvollziehen, wie die gebrochenen Steine auf tiefwandige Güterwagen verladen wurden. In wie weit dies unter Zurhilfenahme von Hebe- oder Verladeanlagen geschah läßt sich nicht mehr ermitteln.
Dass aber eben solche vorhanden waren kann man aus Betonfundamenten mit darin eingelassenen Gewindestäbern schließen, welche man im vorderen Bereich des Steinbruchs noch findet (rot umrandet im übernächsten Bild).
Streckenkilometer 14,1 - Haltepunkt Affolterbach
Vom Haltepunkt Affolterbach ist nichts mehr erhalten. Dieser befand sich an Stelle der heutigen Hallen der Fa. Jöst Racing.
Die Anlage besaß ein Abstellgleis, einen Kohlenbunker, eine hölzerne Lagerhalle, das Wartehäuschen und eine Verladerampe. Verkehrstechnisch erschlossen wurde die Anlage durch eine Stichstraße mit Waage an deren Kopfende.
Wie in so manchem ehemaligen Bahnort erinnert auch in Affolterbach das längst geschlossene Gasthaus "Zur Eisenbahn" an die über 80-jährige Zeit des Bahnbetriebs.
Immer weiter an der linken Talseite des Ulfenbachtal verlaufend nähert sich der heute gleislose Bahndamm seinem einstigen Endpunkt in Wahlen. Vorher wird letztmalig bei Streckenkilometer 15,8 ein Bachlauf (der Hammelbach) mit einem schmucken Brückenenbauwerk überquert.
Auch in Wahlen würde heute eigentlich (fast) nichts mehr an den Bahnbetrieb und das Streckenende der Überwaldbahn erinnern. Sämtliche Bahnhofs- und Lagergebäude wurden nach Betriebseinstellung niedergelegt und das Areal des ehemaligen Bahnhofs in eine Parkanlage umgewandelt.
Ortsansässige Eisenbahnfreunde haben jedoch in der jüngsten Vergangenheit eine kleine Diesel-Rangierlock aus dem Bahnhof Hetzbach erworben, liebevoll restauriert und auf einem kurzen Gleisstück zusammen mit Kilometersteinen und dem Ortsschild auf dem Areal des ehemaligen Wahlener Bahnhofs aufgestellt.
Somit existiert nun auch wieder in Wahlen ein Eisenbahnrelikt und erinnert an die Zeit, als durch die Bahn auch im Überwald das Industriezeitalter anbrach.