www.Morr-Siedelsbrunn.de
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Zum Gedenken an Hans Morr

Das Eisenobservatorium auf dem Tète de Raves

Zwischen den Vogesenorten Nayemont-les-Fosses und Le Petit-Fosse befindet sich der 874 Meter hohe Berg Tète de Raves. Er ist Teil des ihn umgebenden Ormont-Massivs.

Während des Ersten Weltkriegs verlief die Vogesenfront über den Berg. Die Deutschen hatten den Gipfel zu Beginn des Krieges besetzt und den zu seinen Füßen befundlichen Straßenpaß "Col d`Hermanpaire" mit umfangreichen Verschanzungen und Bunkern gesichert.

Durch einen Vorstoß der französischen Armee wurden die Deutschen 1915 vom Berg vertrieben. Er blieb bis zum Kriegsende in französischer Hand. Noch vor Ende des Kriegs errichtenten die Franzosen auf dem Berggipfel einen 30 Meter hohen gepanzerten Beobachtungsturm (Observatorium) aus Eisen. Da der Turm die Bäume überragte konnte ein weites Areal einschließlich Luftraum überwacht werden.

Ausblick wie er vom Turm aus möglich war (Drohnenaufnahme)

Durch glückliche Umstände blieb der Turm von der Verschrottung nach dem Krieg verschont. Zu einem mir unbekannten Zeitpunkt ist der Turmschaft allerdings geknickt und umgefallen. Grund hierfür dürfte der altersbedingte Bruch (Korrosion ?) eines der 3 Drahtseile gewesen sein, welche den Turm ehemals stabilisierten. Jedenfalls blieb der umgestürzte Turm bis heute verdreht so liegen wie er umgefallen ist. Beraubt um lediglich transportable Kleinteile. Es ist ein einzigartiges Zeugnis eines solchen, gänzlich aus Metall errichteten und gepanzerten Observatoriums.

Obere 2/3 des liegenden Turms (Drohnenaufnahme)

 

Beschreibung desTurms

Der Turmunterbau wurde aus Eisenprofilen in Fachwerktechnik zusammengebaut. Hierzu hat man die Einzelteile beim Hersteller in vorgegebener, dreieckigen Grundform mit 1,5 Meter Seitenlänge in Segmenten heiß vernietet und danach mit den restlichen Teilen auf den Berg transportiert.

Das untere Turmsegment wurde im Boden einbetoniert und mit 3 um 120 Grad versetzten und nach innen abgewinkelten Seitenstreben stabilisiert. Es wurde an 2 Seiten mit ca. 2 Meter hohen Blechen verkleidet um den unerlaubten Einstieg zu verhindern. Eines dieser Bleche war mit einer verschließbaren Tür versehen (Tür nicht mehr vorhanden). Im Inneren befand sich eine Eisenleiter (nicht mehr vorhanden), welche mit einer Absturzsicherung aus Bandeisen umgeben war.

Unteres Turmsegment mit Zugangs-Ausschnitt

Das 2. Turmsegment wurde auf dem Ersten mittels lösbarer Bolzen und Keil befestigt. Eine Demontage wäre demnach problemlos möglich gewesen. 

Lösbare Verbindung mittels Bolzen (rosa) und Keil (gelb)

Auf das letzte Grundsegment wurde oben abschließend eine runde Eisen-Grundplatte mit Einstiegsöffnung und Verschlußklappe aus Metall (fehlt heute) montiert. Darauf der eigentliche zylindrische Beobachtungsraum. Seine lichte Höhe betrug knapp 1,8 Meter, sein Durchmesser 1,5 Meter. Die Wandstärke betrug 1,5 cm und war für damalige Verhältnisse sicher gegen MG-Feuer, auch von Flugzeugen. Ein eiserner, 2-teiliger Deckel mit verschließbarer Öffnung bildete das runde Flachdach des Turms. Die Außenteile des Oberbaus waren aus transport- und gewichtsgründen segmentiert und wurden vor Ort zusammengeschraubt. Zwecks Stabilisierung wurde der Turm unterhalb des drehbaren Oberteils mit 3 um je 120 Grad versetzt angeschlagenen Stahlseilen an im Erdboden einbetonierten Zugankern befestigt.

Der zylindrische Turmaufbau war auf 3 um 120 Grad versetzten Rollen gelagert und konnte somit um 360 Grad auf der feststehenden Bodenplatte gedreht werden. Als gegenlager diente ein im Inneren des Turmzylinder fest angebrachter Stützring. 3 weitere Stützrollen sicherten in Verbindung mit einem rund 10 cm tiefen Überstand über die Bodenplatte die zentrische (radiale) Position des Aufbaus. Der Überstand verhinderte außerdem das Eindringen von Geschossen zwischen  Boden und drehbarem Aufbau.

Das Drehen des Turm-Oberbaus war sicherlich nur von Hand möglich.

Schema der axialen Aufbau-Drehlagerrung. Rot und blau ist drehbar. Lager und Bodenplatte original
Schema der radialen Aufbau-Lagerung. Lager und Bodenplatte original

Beim Aufschlag auf den felsigen Boden wurde der etwa 1300 kg schwere, gepanzerte Aufbau verbogen und Segmente aus dem ursprunglichen Verbund gelöst (z.B. das Flachdach). Jedoch lassen sich auch so weitere Details rekonstruieren.

Der Aufbau hatte in Sitzhöhe 3 waagrecht, unterbrochene Sehschlitze, mit denen das Umfeld um mindestens 270 Grad eingesehen werden konnte. In Stehhöhe befand sich ein weiterer, ununterbrochener Sehschlitz. Mittels diesem war ein horizontales Sichtfeld von etwa 150 Grad gegeben. Das Fehlen eines rückseitigen Sehschlitzes in Stehhöhe war wahrscheinlich der Grund für die Drehbarkeit des Aufbaus.

Details am Turmoberbau

Die Sehschlitze konnten mit in Nuten geführten Eisenschiebern bei Bedarf ganz oder teilweise geschlossen werden. In wie weit die Schieber kugelgelagert waren lässt sich nicht mehr feststellen, da sie heute nicht mehr vorhanden sind. 

 

Im Inneren des Turms erkennt man angeschweißte L-Haken. Diese waren sicherlich zum Aufhängen von Kleidungsteilen und Ferngläsern etc. angebracht worden.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit war im Turm ein Telefon zur Nachrichtenübermittlung installiert.

 

Der Aufstieg und Aufenthalt oben im Turm war sicherlich eine zugige Angelegenheit und nicht jedermanns Sache.

 

Weitere Bilder vom Observatorium: 

Stand April 2023

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© Hans-Günther und Jürgen Morr