www.Morr-Siedelsbrunn.de
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Zum Gedenken an Hans Morr

Deutscher Durchbruch durch die Maginot Linie

Die Wehrmacht suchten sich für ihren geplanten Maginot-Durchbruch eine Schwachstelle in der Befestigungslinie. Diese fanden sie nach ausführlicher Erkundung in der hügeligen und von Bachtälern durchzogenen Waldregion zwischen den Weilern Windstein und La Verrerie (Glashütte). Die Breite dieses Abschnitts beträgt ca. 5 km.

In Vorbereitung des Maginot Durchbruchs eroberte die Wehrmacht am 13. Mai 1940 einige französische Vorfeldstellungen, welche als Beobachter bzw. Alarmstellung unmittelbar an der Grenze lagen. Hierzu siehe Kapitel "Kampf um den Maimont".

Das westlich des gewählten Abschnitts befindliche Maginot Artilleriewerk Groß Hohekirkel liegt rund 14 km Luftlinie entfernt. Demnach war der für den Durchbruch vorgesehene Bereich von der Festungsartillerie Groß Hohekirkel nicht erreichbar (Reichweite der 7,5 cm Kanonen = 9,5 km). Östlich befindet sich das Werk Kalkofen (Four à Chaux) in 8 km Entfernung. Dessen Granaten konnten den vorgesehenen Bereich bestreichen. Die Granaten der beiden französischen 7,5 cm Geschütze, welche am Südwesthang des Biesenbergs in der dortigen Ari-Kasematte standen, konnten den Günstalpass mit seinen beiden flankierenden Kasematten nicht erreichen. Sie spielten demnach beim Kampf um die Maginot-Anlagen keine Rolle. Dies gilt ebenso für die beiden Geschütze der Artileriekasematte Windstein. Sie konnten wegen der festen Kasemattenausrichtung in Nordwestrichtung nur das Erbsental bis zum Biesenberg unter Beschuß nehmen.

 

Bereich der Maginot-Sektoren SF-Vogesen und SF-Hagenau. Rot = Vorstoß und Bereich des Deutschen Angriffs

 

Im für den Durchbruch vorgesehenen Geländeabschnitt befanden sich die in folgender Karte eingetragenen Kasematten und Kleinkampfanlagen, welche selbst über keine weitreichenden Geschütze verfügten. Die Kleinkampfanlagen waren nur splittersicher. Ein darin befindlicher Soldat hatte schon bei einem Punktangriff mit MG-Unterstützung so gut wie keine Überlebenschance.

Die Soll-Mannschaftsstärke pro Kasematte betrug rund 15 Mann.

 

Die Verteidigung des 23 km langen Maginot Abschnitts zwischen den Artilleriewerken Groß-Hohekirkel und Kalkofen war der französischen 154. Infanterie Division befohlen (154 RIF). Deren Stärke betrug etwa 3400 Mann. Somit kamen rechnerisch rund 157 Mann auf einen Kilometer Frontlinie.

Plan des Deutschen Vorstoßes mit Eintrag der Kasematten (Nr. 1 bis 20)

 

Der Angriff wurde der 215. Infanteriedivision unter Leitung von General der Infanterie Babtist Knieß befohlen. Sie startete am 19.06.1940 um 10:00 nach zweistündiger Artillerievorbereitung mit 2 Truppenkontingenten den Angriff von der Deutsch-Französischen Grenze bei Fischbach aus. Das Infanterieregiment 380 unter der Leitung von Freiherr von Ow-Wachendorf stieß auf die Kasematten um den Günstalpass vor. Der zweite Truppenteil unter Leitung von Oberstleutnant Gustav Theodor Tafel mit dem Infanterieregiment 435 auf die Kasematten um La Verrerie (Glashütte). Das IR. 390 verblieb zur Verfügung als Reserve im Raum Schönau-Nothweiler.

Wahlspruch und Wappen der 215. Infanterie Division

Zeitgleich flogen deutsche Stuka (Sturzkampfbomber) konzentrierte Angrifswellen mit 500 kg Bomben auf die Kasematten und die Artillerieblöcke des Maginot Werks Kalkofen. Die östlich von La Verrerie befindliche Kasematte Markbach erhielt hierbei einen Volltreffer, welcher die 1,5 Meter dicke Betondecke des Bunkers durchschlug. Die Kasematte wurde hierdurch augenblicklich zerstört. 

 

Stuka-Bombenvolltreffer, Kasematte Markbach
Stuka-Bombervolltreffer, Deckendurchschlag Kasematte Markbach
Mit Wasser gefüllter Trichter einer Stuka-Bombe bei der Kasematte Markbach

 

Zur unterstützenden Beschießung des Werks Kalkofen wurde bei Schönau ein Scoda Mörser aufgebaut. Eine großkalibrige Haubitze mit Kaliber 42 cm aus dem 1. Weltkrieg, mit welcher schon damals französische Forts beschossen wurden. Ein weiteres großkalibriges Geschütz feuerte von Fischbach aus mit 35,5 cm Granaten auf Werk Kalkofen. Dessen Standpunkt befand sich im Talgrund des Spießbachs, 200 m östlich des heutigen Biosphärenhauses. Im Endbahnhof Bundenthal stand ein Eisenbahngeschütz der Wehrmacht, welches angeblich auch am Beschuß des Werks Kalkofen und Hochwald Ost beteiligt war.

Aufbau des 42 cm Scoda Mörsers bei Schönau

Das Bombardement des Werks Kalkofen mit schwersten Kalibern bewirkte, dass die militärische Telefonleitung beschädigt wurde. Die Kommunikation mit Beobachtern, externen Befehlsständen und Kasematten war ab dem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Der zu dieser Zeit noch recht unzuverlässige Funksprechverkehr wurde durch das Bombardement und die dabei umherfliegenden Metallsplitter ebenso stark gestört. Im Werk Kalkofen war man zu dem Zeitpunkt quasi blind. Man verfügte über keine Informationen mehr, wo sich der Feind gerade befand.

 

Legende zum obigen Bild

Roter Kreis gestrichelt = Standort deutsches 35 cm Geschütz. 11,5 km Entfernung bis Werk Kalkofen

Roter Kreis = Standort Scoda Mörser. 8,1 km Entfernung bis Werk Kalkofen

Blau umrandete Fläche = Standort leichte deutsche Artillerie

Braune Markierungen = Deutsche Vorstöße

Grüne Kreise = Französische Maginot Kasematten

 

Bevor die Infanterie in die Nähe der Maginot Linie kam wurden Beschuß und Bombardierung des Korridors Windstein - La Verrerie durch die Deutschen eingestellt.

Die Artillerievorbereitung hatte 3.920 Granaten Kaliber 10,5 cm und 2.040 Granaten Kaliber 15,0 cm verschossen. Der Munitionsverbrauch der schweren Geschütze ist nicht bekannt.

 

Schweres MG und rechts Pak 3,7 im Mannschaftszug

Die Sturmtruppen konnten sich somit in Stellung bringen. Im Mannschaftszug wurden leichte 2 cm Geschütze und 3,7 cm Pak außerhalb des Wirkbereichs des leichten französischen Maschinengewehre FM-24/29 (> 600 m) in Position gebracht und auf die Panzertglocken der Kasematten ausgerichtet. Dann begann der konzentrierte Beschuß der Glocken. Die Franzosen mußten die Drehverschlüsse der Schießscharten in den stählernen Panzerglocken schließen, konnten also selbst nicht mehr feuern. Durch Massentreffer, vornehmlich der 3,7 cm Pak, wurden die Schartenrahmen deformiert und waren nicht mehr zu öffnen. Sie und waren daher für die Verteidiger auch nicht mehr als Ausguck nutzbar. Auch die Turmperiskope- soweit vorhanden- wurde durch Feindfeuer zerstört.

 

Deutscher Sturmtrupp geht Kasematte Glashütte an (nachgestellte Szene)

Durchschlagen konnten die von den Deutschen abgefeuerten 3,7 cm Granaten die 20 cm dicken Stahlgußglocken nicht. Sie drangen etwa 7 cm ins Material ein (vor Ort gemessen). Das Geräuschinferno muß im Bunker für die Besatzung unerträglich gewesen sein.

Der beim Sturm auf Günstal West beteiligte Infanterist Hopf hat die Szene auf Papier festgehalten

 

Da die Stukas der Luftwaffe während dessen ihre Bombenangriffe auf Werk Kalkofen fortsetzten, war die dortige Werksbesatzung nicht in der Lage, die berannten Kasematten mit gezieltem Gegenfeuer zu belegen. Die Vibrationen der Bombendetonationen vereitelten zudem gezielte Schüsse. Die ausgefahrenen Geschütztürme wären bei einem Vollteffer auch stark beschädigt bzw. aus ihren Fundamenten gerissen worden.

Bildmitte der Günstalpass. Die Panzertürme der den Pass flankierenden Kasematten sind mit Pfeil gekennzeichnet

 

Deutsche MG-Trupps hatten sich zwischenzeitlich seitlich der Kasematten positioniert und nahmen das Umfeld der Bunker unter Beschuß. In ihrem Schutz arbeiteten sich Pioniertrupps der Wehrmacht durch die Stacheldrahtverhaue an die Bunker heran. Sie warfen Handgranaten in Bunkeröffnungen oder deponierten geballte Ladungen vor Scharten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war die Kasemattenbesatzung verloren, sofern sie nicht schon vorher kapitulierte.

 

Nachfolgende Bilder zeigen eindrucksvoll die Wirkung der Geschosse am Panzerturm und zerschossenem Schartenrahmen.

Kasematte Günstal West, Treffer von 2 cm Flak und 3,7 cm Pak
Günstal Ost, Treffer von 3,7 cm Pak und MG-Garben. Einige Projektile stecken noch heute im Stahl der Panzerglocke

 

Die im Tal unterhalb des Günstal Passes liegende Kasematte Nagelstal erhielt einen 8.8 Sprenggranatentreffer in die Panzerglocke. Die angreifende Truppe führte mindestens ein auf ein  Kettenfahrgestell montiertes 8,8 cm Geschütz mit sich. 

Kasematte Nagelstal, Treffer von Sprenggranate mit Verzögerungszünder von Pak 8.8

 

Die Besatzung des Werks Kalkofen war zwischenzeitlich zum Nichtstun in ihrer Festung verdammt. Ein Ausfall der Besatzung hätte mehr Sinn gemacht als untätig bis zur Kapitulation im Festungswerk zu verbleiben.

Nach dem Kampf: Soldaten vor dem Schartenturm der Kasematte Günstal West. Im Hintergrund rechts Burg Alt-Windstein

 

Gegen 16:20 Uhr war das Umfeld von versprengten feindlichen Truppen gesäubert und alle Kämpfe beendet. Die deutschen Truppenkontingente vereinigten sich 3 km weiter südlich der Bunkerlinie bei den Ortschaften Langensulzbach und Nehweiler. Noch am Abend des gleichen Tages wurde die Stadt Wörth von deutschen Truppen besetzt.

Die Besatzung von Kasematte Clairière kapituliert
Kasematte Nagelstal nach dem Kampf

 

Nach dem gewonnenen Frankreichfeldzug führte die Wehrmacht an einigen Bunkern Beschuß- und Sprengversucheversuche durch. Man wollte hierbei die Widerstandsfähigkeit vom verbauten Beton und Stahl gegen diverse Waffen erproben. Bei den Panzerkuppeln wurde die Auswirkung von  Hohlladungen untersucht. Häufig wurden auch Sprengladungen im Inneren der Bunker zur Detonation gebracht um die Anlagen unbrauchbar zu machen. Die Spuren der zerstörerischen Sprengungen sind besonders eindrucksvoll an der Kasematte Altzinsel zu sehen.

Gesprengte Kasematte Altzinsel
Zerstört durch Sprengung, Ruheraum in der Kasematte Altzinsel. Im Hintergrund Reste der eisernen Bettgestelle.

 

Weitere Bilder mit Zerstörungen an Maginot-Bunkern

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Durchbruch durch die Maginot Linie unnötig war. Zu dem Zeitpunkt stand die Wehrmacht schon vor Paris, Frankreich kapitulierte am 22.06.1940.

Er Angriff diente der Nationalsozialistischen-Regierung lediglich dazu, den Nimbus der Unüberwindbarkeit der Maginot Linie zu zerstören. Menschenleben spielten wie immer keine Rolle.

 

Gleichwohl hat dieses Unternehmen aber auch augenscheinlich gezeigt, dass es mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich war, die bis dahin als unüberwindbar geltende Befestigung binnen eines Tages zu überrennen. Die Linie sollte gemäß ihrer Erbauer einen Angreifer bis zu 3 Wochen aufhalten um genügend Zeit für die Mobilisierung eigener Truppen zu haben.

 

Das gleiches Schicksal ereilte 5 Jahre später den Deutschen Westwall. Allerdings unter ganz anderen Gegebenheiten. Die Bunker besaßen keine schweren Waffen mehr. Die hatte man nach der französischen Kapitulation am Atlantikwall verbaut. Auch existierten für die Westwallverteidigung keine kampferprobten Soldaten in ausreichender Anzahl mehr.

Quellen

@ Pierre Lindauer - Neunhoffen (F)

@ Walter Schelm / Dr. Hans Mehrle - Geschichte der 215. Infanterie-Division

@ Dr. Johannes Nosbüsch - Damit es nicht vergessen wird

@ Martin Galle - Westwallmuseum Bad Bergzabern

@ Fernand Bernecker - Die geopferte Generation

@ Jean-Bernard Wahl - Die Maginot Linie im Elsaß: 200 km Stahl und Beton 

 

Der spätere Ritterkreuzträger und Jurist Dr. Hans Mehrle nahm als 18- jähriger Schütze an obigem Feldzug teil.

Stand November 2023

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© Hans-Günther und Jürgen Morr